Schmerzüberwachung

Das Analysieren von Schmerzempfinden ist in zahlreichen medizinischen Anwendungen von hoher Bedeutung. Beispielsweise können Schmerzen, oder gerade die Schmerzgrenze, bei physiotherapeutischen Behandlungen nicht nur über den Ablauf oder das Resultat der Behandlung entscheiden, sondern von Beginn an den Aufbau und die Zusammenstellung der Übungen prägen. Die quantitative Beurteilung des eigenen Schmerzes beruht traditionell auf einer Selbsteinschätzung mit Fragebögen. Bei Patienten, die nicht in der Lage sind, ihren Schmerz (objektiv) zu kommunizieren, kommt diese Methode jedoch nicht infrage.

In Zusammenarbeit mit Prof. Kerstin Lüdtke (Physiotherapie, Universität zu Lübeck) entwickeln wir eine lernbasierte Mustererkennungsplattform, die den aktuellen Schmerzgrad anhand von Daten multipler, tragbarer Sensoren automatisch bestimmen soll. Die Datenakquisition wird dabei mit mehreren Geräten durchgeführt. Schmerzen werden durch Hitze mittels einer Thermode, CHEPS (Contact Heat-Evoked Potential Stimulator), am Unterarm des nicht dominanten Arms der StudienteilnehmerInnen induziert. Während des Experiments sind die TeilnehmerInnen dazu aufgefordert, kontinuierlich ihren empfundenen Schmerzgrad mittels einer CoVAS (Computerised Visual Analogue Scale) anzugeben. Um die körperliche Reaktion von Menschen unter Schmerzen aufzunehmen, zeichnen zwei Wearables (Empatica E4 und RespiBan) unterschiedlichste physiologische Merkmale (wie z.B. BVP, EDA, EMG, ECG) während des Tests auf. Die Daten aus Wearables, CoVAS und Thermode werden synchronisiert und bezüglich der Abtastrate angeglichen.

Ein Datensatz mit insgesamt 52 Personen wurde im Verlauf des PainMonit Projektes erhoben. Zur Klassifizierung der Daten betrachten wir sogenannte 2-Klassen-Probleme, zum Beispiel kein Schmerz vs. hoher Schmerz. In einer weitgehenden Analyse wurde ein Random Forest-Verfahren basierend auf manuell definierten Merkmalen mit generierten Merkmalen durch verschiedene Deep Learning-Ansätze zum automatischen Lernen anhand der Rohdaten verglichen. Hier konnte einen maximale Genauigkeit von bis zu 93% (kein Schmerz vs. hoher Schmerz) erreicht werden. Weiter konnte gezeigt werden, dass Deep Learning Ansätze nicht unbedingt bessere Ergebnisse liefern als klassische Verfahren der Mustererkennung zur Schmerzerkennung. Darüber hinaus führt die Integrierung des subjektiven Empfindens (CoVAS) zu einer gesteigerten Perfomance des Systems. Zukünftige Arbeiten fokussieren hier die Verbesserung der Klassifikation für die Aufgaben kein Schmerz vs. geringer Schmerz durch eine angepasste Sensorfusion. Ein wichtiger Aspekt unserer Forschung in diesem Bereich besteht darin, solche Machine Learning-Verfahren für die Lösung des Problems zu entwickeln, die uns neue Erkenntnisse über die physiologischen und behavioralen Marker für Schmerz liefern.

In aktuellen Arbeiten möchten wir unser System für chronische Rückenschmerzpatienten und durch die Induzierung eines "natürlichen" Schmerzes mittels Bewegung in Arthrosepatienten weiter evaluieren und verbessern.

Ansprechpartner

Dr.-Ing. Frédéric Li

Drittmittelprojekte und Publikationen

BMBF-Projekt: PainMonit - Multimodale Plattform zur Schmerzüberwachung in der Physiotherapie. Laufzeit: 01.01.2019 - 31.12.2022.

Philip Gouverneur, Frédéric Li, Waclaw Adamczyk, Tibor Szikszay, Kerstin Lüdtke and Marcin Grzegorzek, Comparison of Feature Extraction Methods for Physiological Signals for Heat-Based Pain Recognition in Sensors, 2021

Philip Gouverneur, Frédéric Li, Tibor Szikszay, Waclaw Adamczyk, Kerstin Lüdtke and Marcin Grzegorzek, Classification of Heat-induced Pain using Physiological Signals, International Conference Information Technology in Biomedicine 2020

Gouverneur, Philip, et al. "Explainable artificial intelligence (XAI) in pain research: Understanding the role of electrodermal activity for automated pain recognition." Sensors 23.4 (2023): 1959